Geistliche Gedanken in besonderen Zeiten – Nr. 30

Liebe Schwestern und Brüder,

an diesem Sonntag feiern wir das Erntedankfest. Eine ganze Zeit lang schien es, dass sich dieses Fest so ziemlich überholt hätte, war doch eigentlich durch den technischen Fortschritt in der Landwirtschaft die gelingende Ernte nur noch eine Frage der adäquaten Maschinen, der ertragreichen Monokulturen und der richtigen Düngung. Außerdem führte die zunehmende Professionalisierung der Landwirtschaft dazu, dass – zumindest in unserer Gegend – die Wertschätzung für den Ertrag der Landwirtschaft, für die Zusammenhänge, den Ursprung und den Wert landwirtschaftlicher Produkte mehr und mehr erodierte.

Mit den sich immer deutlicher auswirkenden Klimaveränderungen, insbesondere der verbreiteten Trockenheit, verbreitet sich aber zunehmend auch die Erkenntnis, dass offenbar doch Dankbarkeit angebracht ist für das, was nicht einfach technisch machbar ist. Und Schritt für Schritt wächst wieder das Verständnis für die Komplexität der Zusammenhänge und die Erkenntnis, dass ein ausschließlich technischer Zugriff des Menschen auf Natur und Umwelt durch eine deutliche Ambivalenz geprägt ist. Auch wenn die Corona-Pandemie diese Fragen der Nachhaltigkeit etwas in den Hintergrund hat treten lassen, so sind es zweifellos die Zukunftsfragen unserer Gesellschaft.

Und es sind keine Fragen, die an unserem Glauben einfach vorbeigingen: Das Erntedankfest, das zwar nie ein einheitliches Gottesdienstformular besessen hat, aber dennoch schon seit dem 3. Jahrhundert in allen Konfessionen der Westkirche begangen wird, zeugt davon, dass unser Glaube ohne den Bezug zu Gottes Schöpfung und ohne den Einsatz für die Erhaltung dieser Schöpfung nicht auskommt. Dabei geht es nicht nur sehr konkret um unsere Lebensgrundlage, sondern eben um unseren Platz in und nicht über der Schöpfung Gottes.

Das Erntedankfest bringt es auf einen einfachen Punk: Dankbarkeit. Das ist die Haltung, die uns Christ*innen ausmachen und durchdringen soll. Und diese Haltung der Dankbarkeit gilt nicht nur für die Erntegaben, sondern – darauf verweist insbesondere Paulus in der zweiten Lesung dieses Sonntags (Phil 4, 6-9) – soll uns „in jeder Lage“ durchdringen. Und wenn wir so dankbar leben, dann wird – so formuliert es Paulus – der „Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, unsere Herzen und unsere Gedanken in Christus Jesus bewahren“ (Phil 4,7), dann sind und bleiben wir offen für das Handeln Gottes in unserem Leben und um uns herum. Zu dieser Wachsamkeit lädt uns der Erntedanksonntag ein. Und weil diese Haltung so zentral ist, wird unsere Pfarrei das kommende Jahr ganz bewusst unter das Motto „Wir – bewusst für die Schöpfung“ stellen. In einer ganzen Reihe von Veranstaltungen soll es dann darum gehen, wie wir als Gläubige in unserem Alltag und in unseren Gemeinden bewusster die Haltung der Dankbarkeit und der Verantwortung für die Schöpfung leben können.


Einen guten und gesegneten Erntedank-Sonntag.

Bleiben Sie behütet!
Alexander Jaklitsch, Pastoralreferent