Impuls Nr. 94
Heiliger Franz von Assisi – Macher und Lautdenker
Liebe Brüder und Schwestern,
wir heißen Pfarrei St. Franziskus. Augenzwinkernd sage ich hier und da, sogar manchmal dort, ich sei Franziskanerin. Nein, bin ich nicht. Umso schöner, dass die Pfarrei im Sommer eine Fußpilgertour nach Assisi unternehmen wird.
Kinoepocheprägende Filmemacher wie Roberto Rosselini oder Nobelpreisträger wie Dario Fo haben 1950 bzw. 2017 sich mit ihm befasst. Wie? Sehr liebevoll würde ich antworten im Namen einer Kulturauffassung, die Konfrontation als Stilmittel für angemessen hält.
Wer war Franz aus dem italienischen Assisi? Wir wissen ziemlich sicher, dass er im 12./13. Jahrhundert lebte und 44 Jahre alt wurde. Seine Eltern waren reich und so lebte er zunächst das Motto: keine Feier ohne Meier. Die politischen Umstände setzten diesem Tanderadei ein jähes Ende: Krieg den Palästen! Franz verteidigte diese als Ritter und verkriegsunfallte schwerverletzt. Zwar überlebte er, aber mit veränderter Persönlichkeit. Seine Berufung sei, so sagte er, ab sofort Gutes zu tun, in die Welt zu gehen, allem Eigentum zu entsagen und das Evangelium in der Landessprache als Laie – amtskirchlich doppelt verboten - zu verkündigen. Er zog in ferne Länder und zog sich komplett in der Kirche aus, verschenkte großzügig an Bettler, umarmte Leprakranke, sprach mit den Tieren und „hohen Tieren“ in Politik und Religionen. Narr oder Heiliger?
Der Papst entschied sich für letzteres, das Teilen und doch Herrschen. Allerdings wurden nach Franz’ Tod alle Aufzeichnungen über sein Tun vernichtet, was die Legendenbildung befeuerte. Heute ist der Franziskanerorden nach den Benediktinern und Jesuiten weltweit der drittgrößte Männerorden. Franziskanerinnen sind vielgestaltig organisiert, so dass sich statistische Angaben über diese mir nicht so leicht erschließen. Erst rund 800 Jahre später benennt sich ein Papst nach ihm, nämlich der derzeitige, der dem Jesuitenorden angehört. Der Gründer des Jesuitenordens heißt übrigens, um Missverständnissen vorzubeugen, nicht Franziskus, sondern Ignatius (von Loyola). Und, als sei der Name selbst im Vatikan Programm, musste Papst Franziskus sein Amt zehn Jahre lang mit einem zwar zurückgetretenen, aber nicht „entkleideten“ und weiterhin im Vatikan residierenden Papst teilen. An Papst Franziskus scheiden sich die Geister. Damit vertritt er im übertragenen Sinne durchaus auch die Person seines Ordensgründers.
Dario Fo beginnt sein Werk mit einer zwar nicht historisch verbrieften, aber mündlich verbreiteten Rede in Bologna. Diese Stadt führte Krieg außerhalb der Stadtmauern und litt unter Fehden innerhalb dieser. Die Bewohner:innen setzten große Hoffnung auf Franz, den sie als Friedensstifter willkommen hießen. Sie erwarteten eine Verurteilung der feindlichen Massaker und die Gutheißung der eigenen Gewaltausübung im Namen einer wie auch immer auszulegenden Gerechtigkeit. Und Franz hielt eine glühende Rede für das Töten, das Hauen, das Stechen, das Vernichten, das Vergewaltigen, das Kindertöten in Namen eines heiligen und gerechten Krieges – noch dazu in der verhassten Sprache des Feindes. In Schockstarre konnten die Zuhörer die Rede nicht unterbrechen. Mit schwarzkomödiantischen Mitteln führte Franz den Bewohnern Bolognas vor, wie absurd sie sich verhalten (Beispiel: „Ist es nicht wunderschön, 1200 Tote aus eurer Stadt, um das Heilige Grab in Jerusalem zu befreien? 1200 neue Gräber für ein altes! Was für ein schöner, wunderbarer heiliger Krieg!“) In der Sprache der heutigen Organisationspsychologie heißt eine solche Rede: paradoxe Intervention. Das Ende vom Lied: Die verfeindeten Parteien unterzeichneten drei Tage später einen Friedensvertrag, den „Concilium Pacis“, der noch heute im Rathaus von Bologna liegt.
Franz von Assisi dient als Vorbild. Die Katholische Kirche hat verlernt, Macher:innen und Lautdenker:innen „im Namen Gottes“ in die eigenen Reihen zu integrieren. Sie wurden ausgeschlossen. Schade.
Liebe Grüße schickt
Renate Gottschewski