Der Turmschmuck von St. Johannes

In der Osterausgabe des Gemeindebriefes "Unsere Gemeinde" hat die Redaktion angekündigt, in kommenden Ausgaben weitere Informationen über Ausstattungen in und an unserer Kirche zu veröffentlichen. Gewünschtes Thema des zweiten Berichtes: Der Turmschmuck auf unserer Kirche.

Turmschmuck - auch Helmschmuck genannt - ist Teil des Turmes, ein Detail des äußeren Erscheinungsbildes, der Architektur einer Kirche. Turmschmuck kann nicht isoliert betrachtet werden, er ist vielmehr integrierter Bestandteil des Ganzen mit starker symbolischer Aussagekraft. Der Begriff "Schmuck" im Sinne von Zierrat - etwas, das man ebensogut weglassen kann - wird Sakralbauten nicht gerecht.

Unser Kirchturm ist in den Jahren 1930/31 bei der ersten Erweiterung unserer Kirche gebaut worden. Er sollte vor allem die vier bereits 1901 geweihten, am Bochumer Verein gegossenen, Gußstahlglocken aufnehmen. Sie waren in einem provisorischen hölzernen Glockenturm im Pastoratsgarten, Standort des heutigen Küsterhauses, untergebracht. Planender und bauleitender Architekt 1930 war Anton Meister, Bochum / Münster. Meister baute auf dem bergschädengefährdeten Kirchengrundstück im Norden der Kirche zur Brenscheder Straße mit eigens verstärkter Gründung einen Turm in den Grundmaßen 5m x 5m und in einer Höhe von 30m. Die Turmkrone war ein Flachdach mit einem 3,50 m hohen schmiedeeisernen Turmschmuck, dem PX Symbol, ausgerichtet in Nord-Süd-Anordnug, weit sichtbar von beiden Seiten der Brenscheder Straße. Das PX ist die Abkürzung des griechischen Wortes Christos und ein Zeichen, dass in diesem Hause Eucharistie gefeiert wird, dieses Haus s e i n Haus ist.

Nach vielen Jahrzehnten des Historismus, als vor allem im Industriegebiet weit mehr als hundert Kirchen in neugotischem oder auch neuromanischem Stil gebaut wurden, setzte sich in den 20er und 30er Jahren dieses Jahrhunderts neues Denken im Kirchenbau durch:

Das Bauen im Dienst der Liturgie.

Auch die erste Erweiterung unserer Kirche 1930 mit dem neuen Kirchturm entsprach dem Umbruch zu neuer Architektur. Wir dürfen mit Sicherheit annehmen, dass der Kirchturm in seiner ursprünglichen Form mit Flachdach und dem PX - Symbol, dem Gruppenraum für die Jugend im ersten Obergeschoss und der Taufkapelle im Sockelgeschoss als Zeichen neuer Sakralarchitektur in Bochum heute unter Denkmalschutz stünde.

Aber es sollte anders kommen!

Auf dem Flachdach des Turmes wurde 1940 eine eingeschossige Beobachtungsstation der Fliegerabwehr gebaut. Bei den großen Luftangriffen auf Bochum in den Jahren1943 und 1944 wurde unsere Kirche zwar nicht direkt von Bomben getroffen, doch entstanden durch Luftminen erhebliche Schäden. Alle Kirchenfenster und die Schallluken der Glockenstube wurden restlos zerstört, das Kirchendach und der Turm erheblich beschädigt, das Flachdach des Turmes undicht, die Glockenstube und die darunterliegenden Stockwerke glichen Tropfsteinhöhlen, Taubenpaare nisteten im Turm, die Verkotung förderte das Rosten der Eisenkonstruktionen.

Als erste Vorwegmaßnahme zur Sanierung des Turmes, die sich aus finanziellen Gründen bis in die Mitte der 90er Jahre hinzog, wurde im Jahre 1968 nach Plänen von Dr. Paul Günther, Gelsenkirchen-Buer, der mit der zweiten Erweiterung unserer Kirche beauftragte Architekt, auf dem Turm ein Helm in der Form eines einfachen Zeltdaches erstellt. Zelt-dachformen tragen viele Kirchtürme, u.a. die Dome in Münster und Osnabrück, die Stiftskirche in Quedlinburg. Die Planung Dr. Günthers für den ersten Bauabschnitt, die vom Kirchenvorstand beschlossen und von der bischöflichen Baubehörde 1968 genehmigt wurde, sah bereits einen Turmschmuck vor. Entsprechend wurden im Helm die statischen Voraussetzungen zur Aufnahme eines Turmschmuckes geschaffen.

Es sollte noch es bis 1987, also fast zwanzig Jahre, dauern, bis sich die Gemeinde den Wunsch nach einem neuen Turmschmuck erfüllen konnte. Zum 100-jährigen Kirchweihjubiläum im September 1987 sollte es so weit sein. Nach einstimmigen Beschlüssen des Kirchenvorstandes und des Pfarrgemeinderates sollte der Turmschmuck zu diesem besonderen Festtage geweiht werden. Entwurf, Ausführung und Montage oblag der Werkstatt Winkelmann, Günne / Möhnesee.

Unser damaliger Kaplan Ulrich Tomaszewski hat im Hochamt am Sonntag des Pfarrfestes 1987 den Turmschmuck zum Thema seiner Predigt gemacht. Er führte unter anderem aus:

"Da sehen Sie ihn nun vor sich, unseren neuen Turmschmuck. Weltkugel, Kreuz und Hahn auf dem Kirchturm werden weit sichtbar noch deutlicher machen, dass dieser Turm unserer Johannes-Kirche ein sakrales Zeichen ist: Ein Zeichen für die Nähe Gottes, den wir hier verehren und mit dem wir uns hier zum gemeinsamen Mahl um den Altar versammeln.

Die Basis bildet die Weltkugel: Christus ist das Heil der ganzen Welt; dazu ist er auf diese Erde als Mensch gekommen und hat durch seinen Tod am Kreuz alle Menschen erlöst. Darauf weist das Kreuz hin, das sich über der Weltkugel erhebt. Es ist das Heilszeichen unseres Glaubens und darf eigentlich auf keinem Kirchturm fehlen. Darüber erhebt sich der Hahn, der seit Jahrhunderten im Leben der Menschen und der Kirche eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Aber gerade an diesem Hahn wohl haben sich in den letzten Wochen und Monaten die Gemüter in der Gemeinde erhitzt. Ja, er ist geradezu zum Synonym für den gesamten Turmschmuck geworden, obwohl doch eigentlich das Kreuz das wesentlichste der drei Teile ist. Man sprach vom "Gockel", wenn man dagegen war, und fragte nach dem Sinn. Man sprach von Geldverschwendung für den "unnützen Gockel". Das Geld könne man wohl besser anlegen oder in die Mission schicken."

Das sozialkritische Engagement von Gemeindemitgliedern mit ihrer Kritik an unserer Überflussmentalität - teilweise auch in der Kirche - ist durchaus verständlich und auch nachvollziehbar. Die Diskussionen und Erregungen darüber waren aber mehr oder weniger müßig. Zweckbestimmte Stiftungen, Sammlungen und Spenden können nur zweckbe-stimmt verwendet werden, sie dürfen nicht anderen Verwendungszwecken zugeführt werden.

Noch ein Wort zum "unnützen Gockel": Der Hahn gilt in der christlichen Ikonographie als Symbol der Wachsamkeit. Er kündigt das Aufgehen der Sonne an, sein Ruf macht Petrus klar, dass er wirklich fähig war, Jesus zu verleugnen. Johann Sebastian Bach hat in seiner Matthäus-Passion diese Stelle des Evangeliums zu einem besonderen musikalischen Höhepunktes seines Werkes gemacht. Der Evangelist bei Bach rezitiert: "Und alsbald krähete der Hahn. Da dachte Petrus an die Worte Jesu, da er ihm sagte: Ehe der Hahn krähen wird, wirst du mich dreimal verleugnen. Und ging hinaus und weinete bitterlich." Der "unnütze Gockel" entspricht wohl einer anderen, fremden Welt.

Unser ursprünglich 30 m hoher Kirchturm hat nunmehr bis zur Helmspitze eine Höhe von 34,50 m, einschließlich Turmschmuck ist er 37,75 m hoch.

Turmschmuck St. Johannes

Turmschmuck St. Johannes

Turmschmuck St. Johannes

Turmschmuck St. Johannes

Im Jahre 1995 konnte durch eine großzügige Spende ein Posaunenengel auf das bereits im Jahre 1887 erbaute Angelus-Türmchen aufgebracht werden (zu sehen auf dem Titelbild dieser UG, Anm. d. Red.). Der Posaunenengel verweist auf das Weltgericht am Ende der Zeit, wenn Gott alles zur Vollendung führt. In seiner straffen Haltung in Richtung auf den Turmschmuck - hier dargestellt nicht als pausbackiger Barockengel, sondern als Mann, der unter Anstrengung die Posaune bläst - ist er der Kontrapunkt zum Turmschmuck des Hauptturmes. Die vier vergoldeten Kugeln auf den Seitendächern des westlichen Längsschiffes der Kirche sind die verbindenden Attribute zwischen beiden Türmen. So verbinden sie in der Aussage Hahn und Posaunenengel: Seid wachsam, das Reich Gottes kommt! Auch vor der Anschaffung des Posaunenengels lagen den Gremien der Gemeinde drei Entwürfe der Werkstatt Winkelmann vor. Die beiden nicht zur Ausführung gelangten hängen aufgrund ihrer künstlerischen Qualität heute im Pfarrhaus.

Mit der Werkstatt Winkelmann ist unsere Gemeinde seit vielen Jahrzehnten verbunden. 1931 wurde von Bildhauer Wilhelm Winkelmann der in Bronzeblech getriebene, überlebensgroße Christuskorpus des damaligen Hochaltars geschaffen und der Kelch zu Füßen des Korpus. Älteren Gemeindemitgliedern ist diese eindrucksvolle Christusdarstellung sicher noch bekannt. 1972 schuf die Werkstatt die beiden kupferbeschlagenen Türen der Seiteneingänge unserer Kirche, 1987 den Turmschmuck mit Weltkugel, Doppelkreuz und Hahn, 1995 den Posaunenengel und vor wenigen Wochen im Auftrag des Johannes-Stiftes die Schutzmantelmadonna in Thüringer Sandstein "Seebacher Gelb". Die Werkstatt Winkelmann hat sich zur Aufgabe gemacht, abseits der akademischen Kunstszene, in der Tradition der alten Meister, in neuer zeitgemäßer Formensprache und hervorragender handwerklicher Qualität auf der Basis fundierten christlichen Gedankengutes zu arbeiten.

Nach dem Tod des Begründers Wilhelm Winkelmann im Jahre 1989 führten die beiden Söhne Michael, Bildhauer und Silberschmied, und Christoph, Bildhauer und Graveur, die Werkstatt mit großem Erfolg weiter. Über Bistumsgrenzen hinaus sind durch Veröffentlichungen in der Fachpresse der Sandsteinaltar mit dem Patroklus-Schrein, die Bronzegitter mit den Medaillons von Liborius und Patroklus im Dom zu Soest und das Bischofskreuz sowie der Bischofsstab für den Weihbischof Drewes, Paderborn, bekannt geworden.

Zurück zum Turmschmuck auf unserer Kirche. Hatte der 1931 fertiggestellte Turm mit seinem Flachdach und dem PX - Symbol einen etwas trutzigen Charakter, ist das Erscheinungsbild heute mit Helm, Weltkugel, Doppelkreuz, Hahn und dem Posaunenengel ein in sich stimmiges Ensemble mit hohem Symbol- und Aussagewert.

Kaum ein Stadtteilzentrum in Bochum ist mit seiner städtebaulich gewachsenen und seiner stimmenden Infrastruktur so lebens- und liebenswert wie unser Kirchviertel.

Posaunenengel St. Johannes

Posaunenengel St. Johannes

Posaunenengel St. Johannes

Posaunenengel St. Johannes

Und im Mittelpunkt steht die Kirche, deren Turm in der dunklen Jahreszeit abends angestrahlt wird. Die Kirche gibt diesem Viertel seit Jahrzehnten seinen Namen. Abbildungen des Turmes mit seinem Turmschmuck werden nicht nur auf Titelseiten kirchlicher Nachrichten, sondern auch auf Plakaten und Einladungen weltlicher Veranstaltungen verwendet. Der Turm ist der Mittelpunkt des Stadtteilzentrums Wiemelhausen, mit dem sich alle Wiemelhauser Bürger identifizieren können.

Rolf Quinkert