Chronik 100 Jahre St. Johannes

1887 - 1987

"Es war Johannestag, der 27. Dezember 1867. Im sogenannten "blauen Zimmer" beim Gastwirt Moritz Steffen waren sie alle versammelt, die Hilfsgeistlichen von Bochum, um ihren Pfarrer Johannes Cramer an seinem Namenstage recht zu ehren. Nach der anstrengenden Arbeit der letzten Tage herrschte eine freudige Stimmung. Da legt sich auf einmal tiefe, mitleidvolle Sorge auf eines Priesters Herz, seine Stirne zieht sich in Furchen, sein Blick wird ernst und düster".

Mit dieser Schilderung beginnt im Jahre 1921 Dechant Schrepping seine Chronik der Kirchengemeinde Bochum-Wiemelhausen.

Was hatte denn den Pfarr-Kooperator Johannes Schöttler aus Endorf (Krs. Arnsberg) so nachdenklich und schwermütig gestimmt? Ganz gewiß war ihm während der verflossenen Weihnachtstage die Notlage der in den weit abseits gelegenen Gemeinden Wiemelhausen, Querenburg und Stiepel zerstreut lebenden Katholiken eindringlich bewußt geworden. Die seelsorgliche Betreuung dieser Gemeindeglieder verlangte einerseits den Pfarrgeistlichen viele Mühen und Strapazen ab; ebenso aber mußte auch den katholischen Bewohnern dieser Gebiete zur damaligen Zeit viel Opferbereitschaft zugemutet werden: Es gehörte zu den Auswirkungen der Reformation, daß der gesamte Süden des heutigen Bochum von der Propstei-Kirche aus betreut werden mußte. So ist es nicht schwer sich auszumalen, was bei den damaligen Verkehrsverhältnissen der Besuch des sonntäglichen Gottesdienstes nicht nur den Älteren und Schwächeren abforderte.

All dies muß dem Kaplan Schöttler an diesem 27. Dezember 1867 durch den Kopf gegangen sein. Wie konnte Abhilfe geschaffen werden? Die Erträge des Bodens waren gering und der Arbeitslohn auf den Zechen niedrig, wie sollten da die Bauern, kleinen Kötter und Bergleute die notwendigen finanziellen Mittel aufbringen? Doch das schier unmöglich Scheinende gelang. Durch Einsatz des Kaplans Schöttler und durch die große Opferbereitschaft der Gemeindemitglieder nahm das Kirchenbauprojekt erstaunlich zügig greifbare Formen an: Bereits am 17. Mai 1868 konnte von dem Kötter U. Düppe ein Grundstück erworben werden - das erste faßbare Datum auf dem Wege zur St. Johannes- Pfarrei.

Mit erstaunlichem Weitblick bestand von Anfang an die Absicht, zugleich mit der Kirche eine Schule zu bauen. Schon im Sommer 1868 konnte auf dem erworbenen Grundstück das neue Schulvikariegebäude aufgeführt werden. "Es war eben noch die glückliche Zeit, da man noch nicht alles mit der Elle dieser Zeitlichkeit abmaß", so erinnert sich der Chronist Schrepping 1921 an die Bauzeit, in der viele selbst Hand anlegten und sich auf die eine oder andere Weise nützlich machten.

An den großen Unterrichtsraum war als Chorraum nach Osten hin - durch eine große Tür abtrennbar - eine Kapelle angebaut. Am 28. September 1868 wurde Johannes Schöttler zum Schulvikar von Wiemelhausen ernannt; neben seinen seelsorglichen Aufgaben wurde ihm zugleich der Schulunterricht übertragen.

Dieses Doppelamt war zur damaligen Zeit nicht ungewöhnlich, aber nach der Erinnerung von Dechant Schrepping gab es damals nur wenige, die dieses doppelte Amt unter so schwierigen Verhältnissen wie in Wiemelhausen verwalteten.

"Es muß hier gesagt werden, daß das sittlich-religiöse Lebensbild vieler Katholiken damaliger Zeit tiefe Schatten aufwies. Der Männer harrte schwere, mühevolle Arbeit draußen auf dem Felde im nassen, sumpfigen Lehmboden, im Gebüsch beim Ausroden der alten, hohen Buchen und knorrigen Eichen. Dazu kam die noch schwerere Kohlenzechenarbeit. Väter und Söhne mußten bis zur Arbeitsstätte oft zwei Wegstunden zurücklegen. Es ist darum begreiflich, wenn bei der weiten Entfernung von Kirche und Schule, der sauren Erdarbeit und wenig geregelten Lebensweise ein rauhes und rohes Geschlecht herauswuchs. Leider spielte bei den damaligen Zuständen die Schnapsflasche keineswegs eine untergeordnete Rolle. Fast jeden Montag mußte der Polizist in Wiemelhausen erscheinen, da gerade die sonntäglichen Vergnügungen und Zusammenkünfte in zahlreichen kleinen Schankwirtschaften oft genug Anlaß waren zu wüsten Schlägereien und Stechereien. Ging man doch selbst bei hellem Tage nur mit einem gewissen Angstgefühl durch den bekannten und berüchtigten Vietingsbusch."

So also sah der Chronist von 1921 das Arbeitsfeld, in das sich der neue Schulvikar im Jahre 1868 hineinversetzt sah. Am Fest Allerheiligen 1868 wurde in der neuerbauten Kapelle erstmals das heilige Opfer gefeiert.

"Dankestränen leuchteten in den Augen der Andächtigen, als sie hier zum ersten Male in ihrer Mitte den Gottessohn anbeten konnten, zu dem sie seit so vielen Jahren hatten mühsam hinpilgern müssen".

Noch war Wiemelhausen ein Teil der Kirchengemeinde Peter und Paul, der heutigen Propsteigemeinde. Die einsetzende Industrialisierung und die damit verbundene Ausweitung des Kohlebergbaus hatten auch für Wiemelhausen eine Bevölkerungsexplosion zur Folge. Vikar Schöttler hatte um das Jahr 1870 in Wiemelhausen etwa 400 Gläubige zu betreuen, wozu noch ungefähr 10 katholische Familien aus Stiepel und Querenburg kamen.

Aber schon 1873 war durch die Inbetriebnahme der Zeche "Prinz Regent" die Schülerzahl auf 120 gestiegen; und die Zahl der Katholiken sollte bis 1920 auf rund 5000 ansteigen. Das sind gleichsam die Rahmenbedingungen, in die das kirchliche Leben und die seelsorgliche Betreuung eingebunden waren. Es läßt sich an den Zahlen ablesen, daß Kirche und Seelsorger in Wiemelhausen vor erheblichen Problemen standen und diese einfallsreich und weitschauend angehen mußten.

Zunächst einmal platzte die Schule schon bald aus allen Nähten. Man teilte den großen Raum, wodurch natürlich die Nutzungsmöglichkeiten der Kapelle erheblich eingeschränkt wurden.

Schließlich wurden auch die Dienstwohnungen der Lehrpersonen für den Unterricht beansprucht.

Es waren noch keine 10 Jahre nach dem ersten Gottesdienst in der Kapelle vergangen, da stand die Gemeinde ohne ein ihrer Größe angemessenes Gotteshaus und ohne eine Wohnung für ihren Schulvikar da. Erneut wurde eifrig gesammelt und großzügig gespendet. So gelang es, das heutige Kirchengrundstück zu kaufen und zudem noch 9000 Mark für das Vikariegebäude, das heutige Pfarrhaus, aufzubringen.

Doch mit diesem knappen Hinweis wäre der Lebensweg unserer Gemeinde nur sehr oberflächlich angedeutet. In diesen Jahren, von denen jetzt die Rede ist, tobte der sogenannte Kulturkampf, die Auseinandersetzung zwischen dem preußischen Staat unter Bismarck auf der einen und der katholischen Kirche auf der anderen Seite. Mit Maßnahmen wie dem Kanzelparagraphen, der Einführung der Ziviltrauung auf dem Standesamt und den sogenannten Maigesetzen versuchten die politischen Machthaber, das kirchliche Leben einzudämmen und es der staatlichen Reglementierung zu unterstellen. Bereits 1872 war in Preußen der Kirche die Schulaufsicht entzogen und ganz in die Hände des Staates gelegt worden - nicht aber in Wiemelhausen: Noch der spätere Pastor Thiele war zugleich Schulinspektor. Er war allerdings in der Großstadt Bochum der einzige katholische Geistliche mit dieser Funktion.

Ausgerechnet in dieser Zeit nun stand man in Wiemelhausen vor der ungeheuren Aufgabe, eine Kirche und ein Pfarrhaus bauen zu müssen. Wenn der Kulturkampf den Widerstand der kath. Bevölkerung nicht brechen konnte, so kann man dies auch an den Ergebnissen der Sammler- und Spendentätigkeit in unserer Gemeinde ablesen. Zugleich aber war man auf eine Verschärfung der Auseinandersetzungen gefaßt. In der Befürchtung, der "Kulturkampf" könne sich ausweiten, wurde das Vikariegebäude so gestaltet, daß Arbeits- und Sprechzimmer zugleich notfalls auch als Kapelle und Schule dienen konnten.

1876 bezog Vikar Schöttler sein neues Domizil. Doch noch lag das eigentliche Problem vor der Gemeinde: ein Gotteshaus für die überaus stark anwachsende Gemeinde.

Im Spätherbst 1883 überraschte Vikar Schöttler auf einer eigens ins Gasthaus Düppe (das heutige Gasthaus Laatz (Anm.2003: heute Caritas-Station im Kirchviertel)) einberufenen Versammlung die meisten mit dem Plan, ein geräumiges Gotteshaus zu bauen. Und wieder begann eine genau durchorganisierte Sammlertätigkeit, und wieder spendeten die Wiemelhauser Katholiken recht großherzig und mit beachtlichem Erfolg. Noch keine drei Jahre waren vergangen, da konnte am 11. Mai 1886 nach dem feierlichen Hochamt die Grundsteinlegung zur neuen Kirche gefeiert werden.

Den bevorstehenden Abschluß des Kirchbaus markiert das Datum vom 19. Juni 1887. An diesem Tage wurde die für den Dachreiter bestimmte Glocke geweiht - ein eigener Glockenturm war nicht vorgesehen.

Am 15. September 1887 war es schließlich soweit. Ein Augenzeuge, der Chronist von 1921, versetzt uns an diesen für Wiemelhausen so bedeutungsvollen Tag mit seiner Schilderung:

"Am Donnerstag, dem 15. September 1887, einem herrlichen Herbsttage, verkündeten weithin von der neuen Kirche herabwehende Fahnen und der reiche Schmuck des Ortes und der Häuser einen besonders festlichen Tag. Lange schon hatten fleißige Hände wetteifernd sich geregt, um das Festzelt aufzuschlagen. Kirchweihe! Welche Gefühle mag dieses Wort in den Herzen der Wiemelhauser wachgerufen haben, insbesondere bei denen, die noch die alten Zeiten miterlebt hatten, in denen man noch nach Bochum pilgerte. Ein feierliches Hochamt versammelte die ganze Gemeinde an der eben gesegneten Gnadenstätte".

Die Inneneinrichtung war kärglich und zunächst ganz auf die praktischen Bedürfnisse abgestellt: Kirchenbänke wurden erst später bestellt, zunächst mußte ein jeder sich einen Stuhl einfach mitbringen; von der Kirchengemeinde Höntrop bekam man das gebrauchte Chorgestühl geschenkt.

Am 1. Oktober 1888 wurde dann nach langwierigen und schwierigen Verhandlungen, wie die Chronik von 1921 noch zu berichten weiß, die Teilung der Riesenpfarrei Bochum vollzogen.

In der Teilungsurkunde heißt es:

"Wiemelhausen erhält 20.000 Mark zur Deckung der Bauschulden und zur Anschaffung der noch fehlenden kirchlichen Geräte und Paramente. Die Pfarrei Wiemelhausen wird verpflichtet, zu der bereits vorhandenen Dotation des Pfarrbeneficiums denjenigen Jahreszuschuß zu leisten, welcher erforderlich ist, um das feste Jahresgehalt des Pfarrers auf 1800 Mark neben freier Wohnung zu bringen. Desgleichen ist die neue Pfarrei gehalten, zur Bestreitung der Kultuskosten einen jährlichen Zuschuß bis dahin zu leisten, daß die zu übernehmende Jahresleistung für Pfarrer, Organisten und für die Kultuskosten sich auf 1800 Mark beziffert".

Nur noch kurze Zeit verblieb der Gründer von St. Johannes in Wiemelhausen. Am 9. Juli 1889 verließ nach mehr als 2 Jahrzehnten Vikar Johannes Schöttler seine Gemeinde. Über Geseke kam er zuletzt nach Effeln, wo er am Dreikönigstag 1903 verstarb. "Rein in seiner Gesinnung, kindlich fromm in seinem Gemüte, offen und edel in seinem Charakter, eine etwas rauhe Schale mit goldenem Kern", so beschreibt Dechant Schrepping aus unmittelbarem Erleben den ersten Pastor unserer Pfarrei.

Sein Nachfolger mußte sich vor zwei wichtige Aufgabenfelder gestellt sehen: einmal die seelsorgliche Festigung und Vertiefung des religiösen Lebens in der weiter anwachsenden Gemeinde - gleichsam der Innenausbau; ebenso aber auch auf der anderen Seite die weitere würdige Ausstattung des Gotteshauses.

Im Herbst 1889 trat Pfarrer Theodor Alpmann - den meisten Pfarrangehörigen als früherer Vikar an der Bochumer Marienkirche bereits bekannt - seine neue Pfarrstelle hier in Wiemelhausen an. "Mehr als gewöhnliche Gaben des Geistes und Herzens befähigten ihn für diese schwierige Aufgabe", so charakterisiert ihn die alte Chronik.

Wenden wir uns zunächst überblickhaft dem religiösen Gemeindeleben zu, das zu festigen und der wachsenden Gemeinde anzupassen als Aufgabe vor dem neuen Pfarrer lag.

1890 gründete er die "Marianische Jünglingssodalität", ein wenig später die "Marianische Kongregation" für die Mädchen und jungen Frauen. Im Jahre 1891 folgte dann die Neugründung des Männer-Vereins; dieser Zusammenschluß war bereits 1869 unter Vikar Schöttler zu dem rein kirchlichen Zweck ins Leben gerufen worden, bei den Männern und Familienvätern die religiösen Grundsätze zu vertiefen und sie für das kirchliche Gemeindeleben zu interessieren. Schon bald nach seiner ersten Gründung war der Verein allerdings "eingeschlafen".

Die rasante Industrialisierung und der aufblühende Kohlenbergbau eröffneten Arbeitsmöglichkeiten. Infolgedessen war eine recht beachtliche Zahl von Polen auch nach Wiemelhausen gekommen. So entstand um die damalige Zeit ein eigener kath. "Bronislava Polenverein".

Man darf es sicherlich mit Hochachtung und Bewunderung erwähnen, daß trotz der beachtlichen Armut und der damit erzwungenen äußerst sparsamen Lebensweise, die ältere Gemeindemitglieder recht eindrucksvoll - weil selbst noch erlebt - zu schildern wissen, die weitere Ausstattung des Gotteshauses vorangetrieben werden konnte. Spenden, Kollekten und eine Bettelreise des Pastors von Haus zu Haus brachten "den erhofften klingenden Erfolg, und alsbald ließ die neu beschaffte Orgel ihre seelenvollen Töne erklingen", so der Chronist Schrepping. Zudem bekam die Kirche einen Hochaltar, den Marien-Seitenaltar, eine Kanzel und Seitenbänke.

Der Kohlenbergbau brachte nicht nur die erwähnten sozialen Spannungen mit sich, er riß sozusagen auch vielen gleichsam den Boden unter den Füßen weg: so auch dem mit so vielen Opfern erbauten Gotteshaus von Wiemelhausen. Durch den Kohlenabbau und die dadurch verursachten Bergschäden wurde die Kirche so stark in Mitleidenschaft gezogen, daß wegen Einsturzgefahr des Gewölbes zunächst das linke Seitenschiff und für die notwendigen Reparaturarbeiten dann im Sommer 1895 die ganze Kirche geräumt werden mußte. Der Gottesdienst fand über Monate hindurch im Saale der Gastwirtschaft Hanefeld statt (gelegen an der heutigen Glücksburger Str .).

Zwar ließ die Bergwerksgesellschaft "Dannenbaum" die Kirche wieder instandsetzen, doch um eine mögliche Entschädigung kam es zwischen der Kirchengemeinde St. Johannes und der genannten Bergwerksgesellschaft zu einem langwierigen Prozeß, der wohl über die Kräfte des Pastors Alpmann hinausging. Auf seinen Wunsch hin wurde ihm am 29. Dezember 1898 die Pfarrei Elsen bei Paderborn übertragen. (Damals gehörte auch unsere Pfarrei zum Erzbistum Paderborn). Dort verstarb er am 24. April 1917.

Am 24. Januar 1899 wurde der bisherige Kaplan von Sommerseil, Lorenz Winterberg, zum neuen Pfarrer von St. Johannes Wiemelhausen berufen.

Die Gemeinde war inzwischen auf nahezu 3000 Gläubige angewachsen. Die seelsorgliche Betreuung sowie die Aufgabe der Schulinspektion und die recht umfangreiche Vereinstätigkeit in der Gemeinde veranlaßten den neuen Pfarrer, um einen Hilfspriester zu bitten. Bereits im Herbst des Jahres 1899 trat Wilhelm Liese als erster Kaplan unserer Gemeinde sein Amt an.

Wer könnte sich Wiemelhausen ohne sein Wahrzeichen, den Kirchturm, vorstellen? Zunächst aber mußte man sich mit einem Provisorium begnügen. Ungefähr an der Stelle des heutigen Küsterhauses wurde zu Beginn unseres Jahrhunderts ein hölzerner Glockenturm errichtet. Der damalige Bochumer Verein goß vier Stahlglocken in den Tönen h, cis, dis, fis, die seitdem ihre Botschaften über Wiemelhausen hinweg künden.

Als weiteres, bis in die heutige Zeit nachwirkendes Datum aus der Amtszeit von Pfarrer Winterberg ist zu nennen die Gründung des "Müttervereins". Solche Vereinsgründungen beurkunden nicht nur einen geschärften Blick für die Probleme und Anliegen der jeweiligen Zeit, sie sind im kirchlichen Raum vielfach die Grundsteinlegungen für viel aufopferungsvolles und hilfreiches Mitarbeiten in der Gemeinde gewesen.

Nach nur wenig mehr als fünf Jahren verließ am 31. Oktober 1904 Pfarrer Winterberg unsere Gemeinde. Mit Wirkung vom 27. Dezember 1904 übernahm der bisherige Vikar an der Bochumer St. Josephskirche Wilhelm Thiele das Pfarramt in St. Johannes Wiemelhausen - eine Gestalt, von dessen Auftreten ältere eingesessene Gemeindemitglieder aus ihrer Schul- und Jugendzeit noch vieles zu berichten wissen. So verführerisch es wäre, diesen Erzählungen und Erlebnissen als Urkunden des inneren Gemeindelebens zu Beginn des 20. Jahrhunderts nachzugehen, so würde es doch den hier gesetzten Rahmen sprengen. (Beschränken wir also die Chronistenpflicht auf die urkundlich bezeugten Daten, um durch sie Einblicke in das jeweilige Gemeindeleben zu bekommen. (Es sei daran erinnert, daß Pastor Thiele noch der einzige kath. Geistliche in der Großstadt Bochum mit der Funktion des Ortsschulinspektors war).

Ein überaus bedeutungsvolles Datum für unsere Gemeinde ist der 24. Oktober 1907. An diesem Tag fand die kirchliche Weihe des St. Johannes Stifts statt. Es waren wohl die bereits erwähnten Bergschäden dafür verantwortlich, daß man das Schwesternhaus in einiger Entfernung von der Kirche gebaut hatte. Den Grundstein zu diesem Bau hatte bereits Pfarrer Winterberg gelegt. Die Hauptaufgabe der Vinzentinerinnen, die mit der Weihe in das Haus einzogen, war anfangs die Betreuung von weiblichen Fürsorgezöglingen. Die Schwestern unterhielten zugleich eine Handarbeitsschule für schulentlassene Mädchen und einen Kindergarten.

Schon bald wurde die Betreuung und Pflege der älteren Leute die eigentliche Aufgabe der Schwestern im sogenannten Schwesternhaus.

Zu Gesicht bekam man in der Gemeinde später vor allem die Krankenschwester, die - wie sich der Verfasser erinnert - bei Wind und Wetter ihre Krankenbesuche machte und in nicht zählbaren Nachtwachen bei Schwerkranken und Sterbenden aushielt.

Die St. Johannes Gemeinde - aus seelsorglichen Notständen aus der Propsteigemeinde erwachsen - war inzwischen so groß geworden, daß sie selbst nun aus sich neue Seelsorgsbezirke entlassen konnte und mußte: Am 1. November 1910 wurde der bis dahin zu Wiemelhausen gehörende Teil Stiepels abgepfarrt. (Der Bau der Wallfahrtskirche datiert auf das Jahr 1912).

Aus Erzählungen unserer Eltern kann man sich sehr lebhaft vorstellen, was der Gottesdienst während der Winterzeit in der unbeheizten Kirche schon den Jüngeren - zumal die Jungen mußten wohl auf eiskaltem Steinboden knien - abverlangte. Um dies ein wenig zu mildern, wurde 1917 zu der vorhandenen Gaslichtanlage eine Gasheizung installiert.

Besonders in der Fronleichnamprozession bezeugt die christliche Gemeinde ihr Bekenntnis vor der Umwelt. Es lassen sich aus der Gestaltung des Fronleichnamstages Rückschlüsse auf die politisch-gesellschaftlichen Verhältnisse ziehen. So kommt diesem Tag in den so langsam heraufziehenden politischen Turbulenzen und Katastrophen eine besondere Bedeutung zu. Noch aber war gerade der 1. Weltkrieg überstanden. "Seit dem Jahre 1920 entfaltete die Fronleichnamsprozession eine Pracht und einen Glanz wie nie zuvor." In dieser Bemerkung aus der alten Chronik spiegelt sich gewiß auch die durch die neue Verfassung ermöglichte Antwort der Gemeinde auf den überlebten Krieg wieder, so daß man "dem Triumphzuge ganz neue Wege anweisen konnte". Die Prozession zog im Jahre 1920 von der Kirche über die heutige Stiepeler Straße bis zum Bauernhof Schrepping (heute Gesamtschule I, (Anm. 2003: Erich-Kästner-Gesamtschule)), von dort durch die Markstraße bis zur Gaststätte Seier, dann die Wiemelhauser Straße bis zur Borgholzschule, durch die Borgholzstraße am St. Johannes-Stift vorbei zur Kirche zurück.

Der 1. Weltkrieg hatte auch in Wiemelhausen tiefes Leid und viele Wunden hinterlassen. Zur Erinnerung an die 97 gefallenen Gemeindemitglieder wurde der rechte Seitenaltar mit dem Bilde der "Schmerzhaften Gottesmutter" zu einer Gedächtnisstätte umgestaltet.

Am 25. Februar 1924 verließ Pfarrer Thiele nach vorausgegangen Meinungsverschiedenheiten mit offiziellen Vertretern der Gemeinde und der kirchlichen Vereine die Pfarrei. Als neuer Pfarrer wurde am Sonntag, dem 23. März 1924, der bisherige Vikar an der St. Franziskus-Kirche in Bochum-Riemke August Spielmann feierlich in sein neues Amt eingeführt.

Er sollte die nächsten 40 Jahre die Gemeinde durch zum Teil äußerst schwierige Zeiten hindurchführen. Es ist geradezu bezeichnend, daß Pastor Spielmann sein Wirken in der zerstrittenen und aufgewühlten Gemeinde damit begann, bereits am 6. Mai desselben Jahres die Vinzenz-Konferenz wieder ins Leben zu rufen. Diese Gemeindegruppe diente rein karitativen Zielen; still und unauffällig wurden in Not geratene und hilfsbedürftige Gemeindemitglieder unterstützt.

Vereinsgründungen werfen sowohl ein bezeichnendes Licht auf den Gründer wie auch auf die Zeitumstände, in denen sich solche Zielsetzungen verdichten. So ist es bemerkenswert, daß in demselben Jahr noch der "Verein der heiligen Familie" in unserer Pfarrgemeinde gegründet wurde - ein Zusammenschluß vornehmlich junger Familien.

Auch Statistiken können interessant und aufschlußreich sein: Im ersten Amtsjahr von Pfarrer Spielmann wurden 91 Kinder getauft. Zur ersten heiligen Kommunion gingen 60 Mädchen und 76 Jungen. Getraut wurden 34 Paare (darunter 6 sog. Mischehen). Zu Grabe getragen wurden in diesem Jahre 47 Personen, davon 15 Kinder.

Neben der Dachreparatur (wegen der hohen Kosten konnte nur die Schlagseite des Daches überarbeitet werden) und der Elektrifizierung von Kirche und Pfarrhaus ist aus dem Jahre 1925 zunächst auf den 19. März hinzuweisen. An diesem Tag wurde der erste Spatenstich zum Um- und Erweiterungsbau des Schwesternhauses vorgenommen. Es sollte nun ganz und gar als kath. Altersheim dienen, da ein solches in der gesamten Stadt noch nicht vorhanden war. Am 9. November wurde es feierlich eingeweiht. Neben der Möglichkeit, etwa 80 Alleinstehende beherbergen zu können, war das St. Johannesstift durch den Kindergarten, die Pfarrbibliothek und die Vikarswohnung unmittelbar in das Gemeindeleben eingebunden.

Seit Juli 1926 gibt es - auch das verdient Erwähnung - den Paramentenverein. In ihren regelmäßigen Sitzungen pflegten die Frauen die kirchlichen Gewänder.

"... so wurde auch jetzt wieder im Monat März ... ein Wohltätigkeitsabend für unsere bedürftigen Erstkommunionkinder veranstaltet, der einen recht guten Erfolg hatte." Hinter dieser so knappen Eintragung in der Pfarrchronik aus dem Jahre 1927 verbirgt sich eine beachtliche Solidarität der Gemeinde. Denn Jahr für Jahr erwähnt die Pfarrchronik unterschiedlichste Unternehmungen zur Unterstützung hilfsbedürftiger Erstkommunionkinder. Ebenso wird fast Jahr für Jahr über einen recht guten "Erfolg" der Caritas-Haussammlungen berichtet - und das in wirtschaftlich schweren Zeiten, die sich immer deutlicher am Horizont abzuzeichnen beginnen. Gerade diese Caritas-Haussammlungen werden eine Rolle in der Auseinandersetzung mit der kirchenfeindlichen Politik des Nationalsozialismus spielen - doch davon später.

Zunächst einmal berichtet die Pfarrchronik von zwei freudigen Anlässen, die zu größeren Feiern einluden: Am 22. April 1928 wurde das 25jährige Priesterjubiläum von Pfarrer Spielmann begangen. Als Geschenke überreichte die Pfarrgemeinde eine "schöne ewige Lampe, ein gutes grünes Meßgewand, einen grünen und einen violetten Chormantel und eine prachtvolle Kommunionbankdecke" - so die eigenhändige Eintragung des Jubilars.

Das zweite große Ereignis in diesem Jahr fand am 1. Sonntag im Oktober statt: das 60jährige Bestehen der Kirchen- und Schulgemeinde. Bei der Feier in der Gaststätte Grünewald wurde zugleich Frl. Beisken verabschiedet, die über 40 Jahre als Lehrerin in der Pfarrgemeinde gewirkt hatte.

Schon bald nach der Jahrhundertwende konnte der Raum der St. Johannes-Kirche dem zahlenmäßigen Anwachsen der Gemeinde kaum mehr standhalten. Andererseits schien ein Erweiterungsbau wegen der offenkundigen Bergschäden nicht möglich. So hatte man bereits unter Pfarrer Thiele den früheren Hanefeldschen Kotten (an der Glücksburger Straße gelegen) als Bauplatz für eine neue Kirche erworben. Entgegen diesen ursprünglichen Überlegungen begann man in der Pfingstwoche des Jahres 1930 mit den Ausschachtungsarbeiten zu einem Anbau an die bestehende Kirche. Bei dieser Erweiterung erhielt die Kirche auch einen 30 m hohen Turm. Nach langwierigen Verhandlungen hatte die Bergwerksgesellschaft sich bereiterklärt, für etwa auftretende Bergschäden sowohl an dem alten wie auch an dem neuen Teil der Kirche in Zukunft zu haften. Daraufhin gaben die zuständigen Stellen ihr Einverständnis. Am 10. August wurde dann feierlich der Grundstein gelegt. Laut Finanzierungsplan hatte die Gemeinde 38.000,- Reichsmark als Eigenbeteiligung aufzubringen.

Kirchbau in einer Zeit wirtschaftlicher Not und großer Massenarbeitslosigkeit, die auch nicht an der St. Johannes-Gemeinde vorüberging. Man sah beide Notwendigkeiten und stellte sich den Aufgaben, wobei sehr deutlich erkannt wurde, daß "größer noch als die materielle Not vielleicht die moralischen Schäden sind, die aus der Arbeitslosigkeit entstanden, namentlich für die heranwachsende Jugend" - so der Eintrag von Pastor Spielmann in die Pfarrchronik aus dem Jahre 1931.

Unter Anleitung von sachkundigen Schneiderinnen wurden Fortbildungskurse für arbeitslose Mädchen eingerichtet. Neben Unterrichtskursen für die erwerbslose männliche Jugend wurden auch Unterhaltungsnachmittage durchgeführt, "um die Jugend nach Möglichkeit von der Straße abzuziehen".

Zugleich aber wurde der Erweiterungsbau der Kirche mit Eifer vorangetrieben. Am Palmsonntag des Jahres 1931 konnte die bedeutend erweiterte Kirche eingeweiht werden. "Mit Rücksicht auf die Notlage der heutigen Zeit war von einer weltlichen Feier Abstand genommen". Diese kurze Bemerkung in der Chronik erscheint sowohl bezeichnend als auch zugleich lehrreich und vorbildhaft für uns heute.

Doch bei diesem Zeichen der Solidarität ließ es die Pfarrgemeinde nicht bewenden. Es wurde ein "Pfarrausschuß für Kinderwohl" eingerichtet. Eine seiner Aktivitäten in den kommenden Jahren war es, während der Herbstferien für die Schulkinder zweimal in der Woche Tagesausflüge zu gestalten, wobei die Kinder kostenlos mit Milch gespeist wurden. Die karitativen Vereine beteiligten sich an der Aktion "Winterhilfe". Der Elisabeth-Verein hielt die sogenannte "Pfundsammlung": Jede Familie, die noch in einigermaßen geordneten materiellen Verhältnissen lebte, spendete monatlich 1 Pfund Lebensmittel. Durch die Sammelaktion konnten rund 700 Zentner Lebensmittel an Hilfsbedürftige der Gemeinde verteilt werden. Allein das Johannes-Stift teilte im Rahmen dieser Aktion etwa 3.600 Portionen Essen aus. Es klingt nicht nach Stolz, sondern eher nach Bewußtsein von dem, was in einer solchen Situation von einer christlichen Gemeinde gefordert ist, wenn Pfarrer Spielmann in der Pfarrchronik zu all diesen Aktionen kommentierend schreibt: "So ist zur Linderung der Not geschehen, was nur geschehen konnte."

Schon im Jahre der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten waren die Nadelstiche gegen die Kirche auch in den einzelnen Gemeinden spürbar. Zwar konnte der HI. Stuhl durch den Abschluß des Reichskonkordates im Juli des Jahres 1933 der kath. Kirche noch einen gewissen Freiraum gegen den Machtanspruch der Nationalsozialisten sichern. Es blieb aber vor allem die Stellung der kirchlichen Jugendvereine zur Hitlerjugend ungeklärt, so daß das außerkirchliche öffentliche Auftreten der kath. Jugend fast gänzlich lahmgelegt wurde. Schon kurz nach der sogenannten "nationalen Erhebung" am 31. Januar 1933 schrieb Pastor Spielmann in der Pfarrchronik: "Manche Geistliche, die sich mit den neuen Verhältnissen nicht abfinden konnten und irgendwelche (manchmal auch unvorsichtige) Äußerungen über die Regierung oder staatliche Anordnungen machten, wurden zu längeren Freiheitsstrafen verurteilt". Damit war ganz deutlich der politische Rahmen gesehen, in dem sich auch die St. Johannes-Gemeinde in den nächsten Jahren bewegen durfte.

Die systematischen Nadel-Stich-Maßnahmen gegen die Kirche wurden vorangetrieben: Von 1936 an durfte der "Kindheit-Jesu-Verein" - ein Missions-Verein für Kinder - nicht mehr durch die Lehrpersonen betreut werden. Er mußte unabhängig von der Schule organisiert werden. Die Trennung von Schule und Kirche war um einen weiteren Schritt verwirklicht worden. Gerade in diesem Zusammenhang ist eine Begebenheit aus dem Jahre 1936 zu berichten, die ein recht bedeutsames Schlaglicht auf die Situation in der damaligen St. Johannes-Gemeinde wirft: Im Oktober besuchte der Erzbischof von Paderborn - das Bistum Essen wurde erst 1958 gegründet - die Gemeinde, um 199 Firmlingen das hl. Sakrament der Firmung zu spenden. Dazu schrieb Pastor Spielmann: "Während bei der hergebrachten Vorstellung der Lehrpersonen in einigen Pfarrgemeinden der Stadt einzelne Damen und Herren des Lehrerkollegiums fernbleiben, nahm das hiesige Lehrerkollegium vollzählig teil".

1937 durfte dann die seit langem übliche Caritas-Haus- und Straßensammlung nicht mehr durchgeführt werden. Als Ausweg hielt man eine besondere Kirchenkollekte, die ungefähr noch 75 % der vorjährigen Sammlung einbrachte.

Den Fronleichnamsprozessionen ist in dieser Zeit als Maßstab für die Standhaftigkeit der Gemeinde gegenüber den politischen Verhältnissen besondere Bedeutung zuzumessen. In der besonders guten Beteiligung an der Fronleichnamsprozession des Jahres 1937 sah Pastor Spielmann eine mögliche Antwort der Gemeinde auf die kurz zuvor gehaltene berüchtigte Göbbelsrede, in der der Propagandaminister die kath. Kleriker schwer beschimpft hatte. Schon ein Jahr später verschärfte das Nazi-Regime die Auseinandersetzung: Der Prozessionsweg wurde behördlicherseits verkürzt (Kirche - Brenscheder Str.- Stiepeler Straße - Schreppingshof und zurück), die Straßen, die einzelnen Altäre und auch die Häuser durften nicht mit kirchlichen Fahnen geschmückt werden, ja nicht einmal auf dem Kirchplatz, sondern nur an der Kirche und am Pfarrhaus durften Kirchen-Fahnen aufgezogen werden. Die Gemeindemitglieder gaben eine eindeutige Antwort ihres Bekenntnisses: Die Teilnahme war noch stärker als in den früheren Jahren. Die genannten Beschränkungen galten bis 1940. Dann wurde die Prozession - angeblich wegen der Fliegergefahr - ganz verboten. Ab 1941 durfte auf staatl. Anordnung hin am Fronleichnamstag nur noch ein Werktagsgottesdienst gehalten werden.

Als Meßlatte der Auseinandersetzung zwischen Kirche und politischen Machthabern ist auch die Statistik der Kirchenaustritte zu werten: Von 17 Austritten aus unserer Gemeinde im Jahre 1936 schnellte die Zahl auf 63 im Jahre 1937 hoch; der Höchststand wurde in der hiesigen Gemeinde 1938 mit 76 Austritten gezählt. Dem gegenüber vermerkt die Pfarrchronik 1944 noch einen und 1945 keinen Austritt mehr.

Ein weiteres Angriffsfeld der Nazis gegen die Kirche war - wie bereits erwähnt - der Schulbereich. Obgleich aus der St. Johannes-Gemeinde 1103 Protestschreiben an den Oberbürgermeister abgeschickt worden waren und die Mehrzahl der Erziehungsberechtigten sich für die Beibehaltung der konfessionellen Schule ausgesprochen hatte, wurde im Jahre 1939 mit Beginn des Schuljahres auch in Wiemelhausen die Gemeinschaftsschule eingeführt. Zwar war im Stundenplan Religionsunterricht vorgesehen, doch dessen Erteilung organisatorisch so erschwert, daß für alle Klassen vom 3. Schuljahr an zusätzlich ein besonderer kirchlicher Religionsunterricht eingerichtet und angeboten wurde.

So sehr naturgemäß das Interesse an der Konfrontation zwischen Kirche und Nazi-Regime haftet, so darf aber der "innerliche Raum" nicht übersehen werden. Neben vielen Aktivitäten, die hier zu erwähnen den Rahmen sprengen würde, sollte doch ein Ereignis nicht übergangen werden: Am 2. November 1935 verstarb plötzlich und unerwartet Lorenz Sterner, der fast 25 Jahre lang als Küster und Organist an der St. Johannes-Gemeinde gewirkt hatte. Von der für die Neubesetzung eingerichteten Kommission wurde einstimmig Franz Braun vorgeschlagen und vom Kirchenvorstand 1936 als Küster und Organist an der hiesigen Kirche bestellt. Franz Braun sollte dieses Amt über 40 Jahre lang ausüben und dabei die Feier der Gottesdienste und insofern das kirchliche Leben mitprägen.

Infolge der Kriegsereignisse mußten auch in der St. Johannes-Kirche die Gottesdienste und das Läuten der Glocken ganz erheblich eingeschränkt werden. Um 1940 war auf dem Flachdach des Kirchturms ein kleiner Fliegerbeobachtungsstand gebaut worden. Bis 1943 blieb Bochum von größeren Fliegerangriffen verschont. In der Nacht vom 13. auf den 14. Mai erfolgte dann jedoch der erste Luftangriff, der besonders den Stadtteil Wiemelhausen verwüstete. Weitere Luftangriffe in der Nacht vom 12. auf den 13. Juni, vom 25. auf den 26. Juni, vom 9. auf den 10. Juli und am 29. September richteten in allen Stadtbezirken katastrophale Zerstörungen an. Unsere Kirche und auch das Pfarrhaus blieben in diesen Bombennächten verschont - nur die Kirchenfenster waren sämtlich zertrümmert.

Gleich nach dem ersten Großangriff setzte eine große Evakuierungsweile in weniger gefährdete Gebiete ein, vornehmlich nach Pommern. So wurden die Kinder der Borgholzschule und der Bredenbruchschule (Schule an der Brenscheder Straße) in Lauenburg untergebracht; die Kinder der Brenschederschule (Schule an der Baumhofstraße (Anm. 2003: auf dem Gelände der Seniorenwohnungen / evangelisches Baumhofzentrum)) zogen nach Schönlanke um; die Friedrich-Harkort-Schule (Schule auf dem Berg) wurde nach Neustettin verlegt.

Die Kriegsauswirkungen verschlimmerten sich auch für das Heimatgebiet stetig. Es waren ständig steigende Zahlen von Gefallenen aus unserer Gemeinde zu beklagen, für die in der Pfarrkirche Gottesdienste gehalten und gebetet wurde. Im Jahre 1944 - so berichtet Pastor Spielmann - gab es mit nur wenigen Unterbrechungen fast täglich Alarm bei Tag und bei Nacht. Den Großangriff am Abend des 9. Oktober 1944 überstand unser Pfarrbezirk ohne nennenswerte Schäden. Den furchtbarsten Luftangriff erlebte Bochum am 4. November 1944; die gesamte Innenstadt wurde fast vollständig vernichtet. Nach einem erneuten Angriff im November konnten nur noch die Kirchen in Altenbochum und in Gerthe, die Kreuzkirche an der Castroper Straße und unsere Pfarrkirche zum Gottesdienst benutzt werden.

Doch dann ging der Krieg seinem Ende entgegen. Am 10. April 1945 rückten Amerikaner von Herne kommend fast kampflos in Bochum ein. Am Morgen des 11. April wurde auch der Stadtteil Wiemelhausen besetzt. Es waren erneut schwere und gefahrvolle Tage für die Bevölkerung, denn neben Strom- und Wasserausfall kam es zu Plünderungen durch zuvor internierte ausländische Zwangsarbeiter.

Fronleichnamsfest 1945: Zum ersten Mal nach längeren Jahren konnte die Prozession in alt-hergebrachter Weise ziehen. "Sie war ein feierliches und großartiges Bekenntnis zu Christus, unserem Heiland im Sakramente des Altares. Die Beteiligung der Pfarrangehörigen war überaus groß, wie wohl noch nie zuvor." - Dieser Eintrag in der Pfarrchronik kann angesichts des heutigen "leisen Auszugs aus der Kirche" schon sehr nachdenklich stimmen.

Gegen Ende des Jahres begann das Ringen um die Einrichtung der konfessionellen Schulen. Fast alle Erziehungsberechtigten der St. Johannes-Gemeinde stimmten für eine solche. Die Schulen wurden aber zunächst als "Christliche Gemeinschaftsschulen" mit wöchentlich 4 Stunden Religionsunterricht eingerichtet.

In den Nöten der unmittelbaren Nachkriegszeit war die Kirche in ganz besonderem Maße gefordert - und sie stellte sich mit ihren Möglichkeiten dieser Aufgabe. Im Juli wurden an der Wasserstraße zwei Lager für Ostflüchtlinge eingerichtet, deren Betreuung dem Caritas-Verband übertragen wurde. Am Caritasopfersonntag spendete die St. Johannes-Gemeinde in diesem Jahr 3.500,- RM - und das war nur eine von vielen caritativen Kollekten in diesen Nachkriegszeiten.

Doch die St. Johannes-Gemeinde erfuhr auch Hilfe und Solidarität. Etwa 40 Kinder der Pfarrei konnten 1948 in den Partnergemeinden Gehrden und Fölsen (Kreis Warburg) rund vier Wochen lang, von den dortigen Bauern bestens verpflegt, Ferien machen.

Zu Beginn der 50er Jahre waren im Bereich der Bundesrepublik die ärgsten materiellen Nöte und Probleme einigermaßen überwunden. Als ein deutliches Zeichen für den Aufwärtstrend auch im Bereich der hiesigen Gemeinde kann der 6. November 1950 angesehen werden. An diesem Tage weihte Pfarrer Spielmann nach einem Hochamt in der Kirche die neu aufgebaute und "modern und schön eingerichtete" (so der Originalton des Pfarrers) Schule an der Borgholzstraße ein.

Zugleich ging aber der Blick auch über die Zonengrenzen hinweg. Mitte November wurde - wie in der gesamten Erzdiözese Paderborn - in unserer Gemeinde eine Kleider- und Lebensmittelsammlung für die Ostzone gehalten. Man spürt geradezu die große Freude und einen gewissen Stolz, wenn es in der Pfarrchronik heißt: "Bezirksvorsteherinnen unseres Elisabeth-Vereins holten die gespendeten Gaben zusammen. Der Erfolg war erfreulich
groß. Das Gesamtgewicht der beiden Pakete, die wir an unsere beiden Patengemeinden in der Ostzone schicken konnten, betrug rund 8 Ztr." Auch in den nächsten Jahren erbrachten die vielfältigen karitativen Kollekten und Sammlungen beachtliche Ergebnisse, wie es die Pfarrchronik aufweist.

Vom Jahr 1953 sind für die Pfarrgemeinde vor allem zwei herausragende Ereignisse zu erwähnen: Am Ostermontag feierte Pastor Spielmann sein 50jähriges Priesterjubiläum. Das zweite Ereignis, auf das hinzuweisen ist, liest sich in der Pfarrchronik so: "Nach langen Vorbereitungen und Planungen und schwierigen Verhandlungen mit den zuständigen Behörden konnten wir endlich Anfang Juli mit dem Neubau unseres so notwendigen Jugendheims beginnen. Am 1. Sonntag im August war die feierliche Grundsteinlegung". Wenn man auf die vielfältigen Aufgaben und Funktionen blickt, die dieses Haus im Laufe der Zeit erfüllte und noch immer erfüllt, so muß man sich auch in Dankbarkeit an den damaligen Vikar Leo Lyczywek erinnern, auf dessen Initiative und Tatkraft dieses Haus entscheidend zurückgeht. Durch großen Einsatz und beachtliches Engagement vieler Pfarrangehöriger konnten sowohl die Baukosten als auch die Bauzeit gesenkt und erheblich eingegrenzt werden. Am 12. Dezember1954 wurde das Jugendheim eingeweiht. "Unsere Pfarrangehörigen hatten sich zur Feier so zahlreich eingefunden, daß viele trotz des geräumigen Saals keinen Platz mehr fanden. Wir freuen uns, daß wir ein schönes und gemütliches Heim haben für die ganze Gemeinde, besonders für unsere Jugend, wo sie sich zusammenfindet zu religiöser Belehrung und Erziehung, aber auch zu frommem Spiel und echter Geselligkeit. Möge das Heim ein religiöser und gesellschaftlicher Mittelpunkt werden für die ganze Pfarrfamilie". Mit dieser knappen Kommentierung umschrieb Pfarrer Spielmann das Bewußtsein und den Wunsch vieler, daß eine Gemeinde auch Raum und Zeit für gemeinsames Feiern und gemeinsame Veranstaltungen braucht.

So hatte nun die Gemeinde neben dem Gotteshaus im Jugendheim sozusagen eine weitere Versammlungsstätte bekommen. Mit dem Neubau der Vikarie ging es nun darum, auch den zwei Kaplänen eine angemessene Wohnung zur Verfügung zu stellen - die beiden Vikare der Gemeinde hatten bis dahin ihre Zimmer im Schwesternhaus. Ende Juni 1958 wurde die neue Vikarie am Vietingsweg (heute Rüsenacker) bezugsfertig. Sicherlich belasteten die Bautätigkeiten die Gemeinde finanziell in beachtlichem Maße. Doch immer wieder kann man auch feststellen, daß dabei die christliche Verpflichtung für die Nöte und Sorgen der Nächsten nicht übersehen wurde. So erbrachte die von den deutschen Bischöfen ins Leben gerufene "Aktion gegen Hunger und Krankheit in der Welt" - später dann "Misereor" genannt - im März 1959 in unserer Gemeinde das - so Pfarrer Spielmann - "überaus erfreuliche Ergebnis von 7.800,- DM. Im gleichen Jahr wurden bei den Caritas-Haussammlungen nochmals über 8.400,- DM gespendet. Mehr als nur Stolz sollten diese Zahlen Mahnungen und Ansporn an uns jetzige sein; denn immerhin schreibt man damals erst das Jahr 1959. Zumindest die Gemeinde damals verstand diesen Anspruch als Ansporn. Zwar wurde im Jahre 1960 bei der Misereor-Kollekte am Passionssonntag die Schallmauer von 10.000,- DM um nur wenige Mark verfehlt, aber schon 1961 gelang es, sie zu durchbrechen.

Bleiben wir bei dieser Kollektenstatistik und greifen der Zeit nur zwei Jahre voraus: 1963 konnte unsere Gemeinde aufgrund der Misereorsammlung und der inzwischen eingerichteten Adveniat-Kollekte zusammen mehr als 22.400,- DM den Hilfswerken überweisen. Immerhin belegen diese Zahlen auch das große Engagement, zu dem sich Christen verpflichtet fühlen.

Doch zurück zum Jahre 1961. Erneut wurde in unserer Gemeinde - wie in ganz Bochum - Mission gehalten. Sicherlich kann man religiöse Veranstaltungen nicht mit dem üblichen Erfolgsmaßstab messen. Die Chronik belegt, daß die Missionare aus dem Oblatenkloster in Niederlahnstein und die Pfarrgeistlichen recht zufrieden waren.

Die letzten Amtsjahre von Pfarrer Spielmann brachten noch zwei Höhepunkte für die Gemeinde: Ostermontag 1963 feierte der Pfarrer sein 60jähriges Priesterjubiläum. Dazu hatte der Jubilar die außerordentliche Vollmacht erhalten, im Anschluß an das Hochamt den päpstlichen Segen zu erteilen.

Das zweite Ereignis fand am 2. Sonntag nach Ostern im Jahre 1964 statt: An diesem Tage wurde die neue Orgel eingeweiht.

Dieses Datum ist zugleich der letzte Eintrag von Pfarrer Spielmann in die Pfarrchronik. Am 1. November 1964 wurde er nach fast genau 40 Jahren "Amtszeit" in St. Johannes Wiemelhausen pensioniert. Was Pastor Spielmann in diesen Jahren für die Gemeinde geleistet hat und zu wieviel Dank und Anerkennung die Gemeinde ihm verpflichtet ist, kann gewiß mit Worten nicht ausgedrückt werden.

Pastor Spielmann blieb auch weiterhin in unserer Gemeinde wohnen. Am 7. April 68 feierte er unter großer Anteilnahme der Gemeinde sein 65jähriges Priesterjubiläum. Im Alter von fast 90 Jahren verstarb er am 7. August 1969. Er ist der bisher einzige Pastor, der bis zu seinem Tode in Wiemelhausen geblieben ist. Dem Wunsch der Angehörigen entsprechend hat die St. Johannes-Gemeinde Pfarrer Spielmann auf dem Friedhof an der Stiepeler Straße begraben.

In den Wechsel von Pastor Spielmann zu Pfarrer Neveling fiel die Abtrennung der St. Albertus Magnus-Gemeinde von der Wiemelhauser Muttergemeinde. Noch unter Pfarrer Spielmann war der Neubau der St. Albertus Magnus-Kirche begonnen und fast zum Abschluß gebracht worden. Am 30. November 1964 wurde dann die neue Gemeinde von St. Johannes Wiemelhausen abgepfarrt und zur Rektoratspfarrei erhoben. Erster Pfarrer der neuen Gemeinde wurde der damalige 1. Vikar von St. Johannes Franz Westhoff.

Der 4. April 1965 ist als weiteres herausragendes Datum in der Geschichte der St. Johannes-Gemeinde zu markieren: An diesem Tag wurde der bisherige Standortpfarrer in Unna, Arnold Neveling, unter großer Anteilnahme der Gemeinde in sein Amt als Pfarrer an der hiesigen Kirche eingeführt. Die fast 17 Jahre seines Wirkens werden geprägt sein einmal von dem Ringen um die angemessene Umsetzung der vom 2. Vatikanischen Konzil (1962 - 1965) beschlossenen Reformen; zum anderen wird der Umbau der Kirche in den nächsten Jahren von Pfarrer und Gemeinde außergewöhnlichen Einsatz und große Opferbereitschaft verlangen.

Am 11. Oktober 1962 wurde das von Papst Johannes XXIII. einberufene 2. Vatikanische Konzil feierlich eröffnet. Die von diesem Konzil aus gehende Erneuerung der Kirche veränderte die Strukturen der einzelnen Pfarrgemeinden. Am 10. März 1968 wurden im Bistum Essen und damit auch in unserer Gemeinde die ersten Pfarrgemeinderäte gewählt. Das Bild der Kirche wandelte sich sehr schnell und sehr stark: Von der unwandelbaren Kirche zu einer Kirche mündiger, diskutierender, alles in Frage stellender Christen. Hier den rechten Kurs zu halten, war für die Pfarrgeistlichen keine leichte Aufgabe. Man spürt aus seinen Eintragungen in die Pfarrchronik die große Sorge von Pfarrer Neveling, in dieser Zeit die Gemeinde nicht auseinanderbrechen zu lassen. Das "Miteinander" war ein Grundthema seiner Predigten. Zugleich wurden viele Unternehmungen - wie etwa das von 1967 an gefeierte Pfarrfest - durchgeführt, die bei aller Diskussion dieses "Miteinander" der Gemeinde erlebbar werden ließen.

Ein "Problemfeld" dieser vom Konzil angeregten Erneuerung war die Gestaltung des Gottesdienstes. Auch hier führte Pastor Neveling seine Gemeinde recht behutsam in die Neuerungen. Letztlich wohl aus dem sich wandelnden Verständnis der Liturgie ergab sich dann das vordringlichste Anliegen des Pfarrers für die unmittelbare Zukunft: die Renovierung des Gotteshauses.

Schon am 26. Mai 1965 konfrontierte der Pfarrer auf einer gut besuchten Pfarrversammlung die Gemeinde mit diesem Problem. Er fand hinreichende Unterstützung bei Kirchenvorstand und vielen Gemeindemitgliedern. So wurde an diesem Abend der "Kirchbauverein St. Johannes" gegründet, dem sich bald rund 800 Mitglieder anschlossen. Zukünftig sollte an jedem 3. Sonntag im Monat eine Sonderkollekte für die Renovierung der Pfarrkirche gehalten werden. Mit weiteren Aktionen wie Altpapier- und Lumpensammlungen versuchte man einfallsreich, die notwendigen Geldmittel aufzubringen. Man hatte sich einer gewaltigen Aufgabe zu stellen; denn das von Sachverständigen festgestellte Schadensausmaß am Kirchengebäude war um vieles größer, als es zunächst den Anschein hatte.

Bevor aber der Kirchenumbau ernsthaft angegangen werden konnte, mußte 1965 zunächst einmal das Küster- und Organistenhaus völlig neu gebaut werden. Die bisherige Baracke befand sich in einem nicht mehr zumutbaren Zustand.

Auch wenn der Kirchenumbau Thema Nr. 1 in der Gemeinde war, wie Pastor Neveling es in der Pfarrchronik festhielt, so sind doch auch andere Entscheidungen und Entwicklungen für die Zukunft der Gemeinde von großer Bedeutung gewesen. Ab 1965 wurde das Fronleichnamsfest in einer veränderten Form gefeiert. In der Art und Weise, Fronleichnam zu begehen, spiegelt sich viel vom Selbstverständnis der Gemeinde. Das 2. Vatikanische Konzil hatte den Gedanken "Kirche - das pilgernde Gottesvolk" neu belebt. So versuchte man auch in der St. Johannes-Pfarrei, die Fronleichnamsprozession weniger als einen Triumphzug zu gestalten, als sichtbar zu vermitteln: Wir Christen sind unterwegs. Dieser Gedanke prägte die Gestaltung der zukünftigen Fronleichnamstage: Die Gemeinde zieht zu einem Platz, um dort Eucharistie zu feiern. Dann wird der Leib Christi feierlich zur Kirche zurückbegleitet. Seit 1985 wird am St. Johannes-Stift wieder Station gemacht, um hier vor allem den Alten und Kranken den eucharistischen Segen zu spenden.

Nach der Abpfarrung der St. Albertus Magnus-Pfarrei 1964 wird im Jahre 1967 der Pfarrbezirk von St. Johannes erneut verkleinert. Durch den Bau der Universität in Querenburg war es notwendig geworden, für Querenburg und die Hustadt einen eigenen Seelsorgsbereich zu schaffen. Dies geschah am 28. August 1967 mit der Einrichtung der Universitäts-Pfarrei St. Augustinus.

Seit 1967 bürgert sich in unserer Gemeinde ein Brauch ein, der durch die vielen äußeren Bauvorhaben bei der geschichtlichen Beschreibung der St. Johannes-Gemeinde nicht übersehen werden darf: Den älteren und kranken Gemeindemitgliedern wird zu Weihnachten von Kindern ein Blumen- und Briefgruß der Gemeinde überbracht. So bescheiden sich das vielleicht ausnimmt, so tief wird doch offensichtlich dieses Zeichen der Verbundenheit in der Gemeinde sowohl von den empfangenden Älteren als auch von den austeilenden Kindern verstanden.

In den Jahren 1967 und 1968 kam es - wie überall in NRW - zu einer erneuten Auseinandersetzung um die Konfessionalität der Grund- und Hauptschulen. Trotz eindeutiger Wahlentscheidung der Eltern und gegen massive Elternproteste wurde ab Herbst 1968 die bisher kath. Grundschule an der Borgholzstraße als Gemeinschaftsgrundschule weitergeführt.

Es ist mehr als nur eine statistische Angabe, wenn in diesem Rahmen die erste Sonntagsvorabendmesse am 4. 1. 1969 und der erste ökumenische Gebetsgottesdienst der kath. und evang. Christen von Wiemelhausen in der hiesigen Pfarrkirche am 22. Januar 1969 erwähnt werden. Es sind konkrete Wegsteine der Gemeinde, die durch das 2. Vatikanische Konzil angestoßen wurden.

Die nächsten Seiten der Pfarrchronik sind gefüllt von den Umbau- und Renovierungsarbeiten an der Pfarrkirche. Der 6. September 1969 kann als Eckdatum des Baubeginns angesehen werden; denn an diesem Tage wurde zum ersten Mal der Gottesdienst im Saale des Jugendheims gefeiert. Für die Umbauzeit sollte so das Jugendheim zum Pfarrzentrum werden, da nun auch die Gottesdienste hier gehalten werden mußten.

Es sprengt den Rahmen, hier die Stationen des Umbaus im einzelnen aufzuzeichnen. So ist zunächst wohl nur das Richtfest am 12. Dezember 1970 einer gewissen Vollständigkeit halber zu erwähnen.

Man kann die immer wieder aus der Pfarrchronik heraussprechende Sorge der Pfarrgeistlichen verstehen, ob es gelingen würde, in all den Beschwernissen, Behinderungen und Belästigungen der Umbauzeit die Gemeinde zusammenzuhalten und die Verbundenheit zu stärken, zumal die Kirche in Deutschland in diesen Jahren durch innere Unruhe und Auseinandersetzungen ins Schlingern kam. Seelsorgliche Hilfe fanden die Pfarrgeistlichen von seiten einiger Theologieprofessoren und Priestern aus dem Studienkolleg. Ob die Gemeinde tatsächlich lebendig blieb, das mag man an der zweiten Pfarrgemeinderatswahl ablesen, die am 13. und 14. März 1971 abgehalten wurde. Dabei konnte die St. Johannes-Gemeinde prozentual die höchste Wahlbeteiligung des gesamten Bistums Essen erzielen.

Dann kam der 18. Dezember 1971: "Am Samstagabend, 18. Dezember - 18.45 Uhr konsekrierte unser Bischof Dr. Franz Hengsbach den formschönen neuen Altar und feierte anschließend zum ersten Mal Eucharistie in der neuen Kirche. An diesem langerwarteten Gottesdienst nahm die ganze Gemeinde freudig und zahlreich teil. Das Danklied "Großer Gott, wir loben Dich..." war ein Dank der ganzen Gemeinde, ein Dank vor allem auch des Pastors und der Ortsgeistlichen. Deo gratias" - man spürt noch die Erleichterung von Pfarrer Neveling bei diesem Eintrag in die Pfarrchronik.

Im August 1972 beging Pfarrer Neveling sein 25jähriges Priesterjubiläum. In dem neugestalteten Gotteshaus feierte der Pfarrer unter großer Anteilnahme der Gemeinde ein feierliches Dankhochamt.

Nacheinander wurden dann die Orgel wieder aufgebaut (Januar 1972), der Taufstein im Chorraum aufgestellt (1972) und die Marienkapelle im Turm gestaltet (1973). In der Osternachtsfeier 1974 schenkte die KAB-Männergemeinschaft der Pfarrgemeinde einen neuen Osterleuchter.

Der 1. Fastensonntag des Jahres 1974 war für die Pfarrkirche von besonderer Bedeutung: Unser Bischof Dr. Franz Hengsbach hielt in unserer Pfarrkirche die erste seiner jährlichen Fastenpredigten. Bei dieser Gelegenheit - das sei der Vollständigkeit halber erwähnt - bestand die neu installierte Lautsprecheranlage ihre Bewährungsprobe.

Verlassen wir aber zunächst einmal die bauliche Dimension, um wieder ein wenig stärker auf das "Innenleben" der Gemeinde zu schauen. Ein besonderes Schwergewicht der seelsorglichen Arbeit eines Priesters und des Gemeindelebens bilden die Hinführung und die Feier der Erstkommunion.

Von den siebziger Jahren an ist diesbezüglich eine Entwicklung von nicht zu unterschätzender Bedeutung zu verzeichnen: Seit dieser Zeit wird der Kommunionunterricht von einigen Müttern mitgetragen - gewiß eine Mitarbeit von Laien, die weit über das Mitbestimmen in einzelnen Gremien hinausgeht.

Das Jahr 1975 war von Papst Paul VI. als "HI. Jahr der Versöhnung" ausgerufen worden. Gleichsam stellvertretend für die ganze Gemeinde folgten 50 Gemeindemitglieder der damit ausgesprochenen Einladung und brachen am 17. Oktober zu einer Pilgerfahrt nach Rom auf. Durch monatliche Eucharistiefeiern und Besprechungen hatte sich diese Pilgergruppe eingehend auf diese Reise vorbereitet.

Neben den bereits bestehenden Verbänden und Gemeinschaften hatte sich - eher lautlos und ohne besonderes Aufsehen - die ARG gebildet: die Alten- und Rentnergemeinschaft. Mit dieser engagierten Gruppe - man trifft sich wöchentlich einmal - wird das Gemeindeleben zweifelsohne facettenreicher, zumal die Stimme der Älteren dadurch umso gewichtiger und für die Gemeinde bereichernder wird.

Der 8. Dezember 1975 ist wieder ein Datum, das für die St. Johannes-Gemeinde einen Markierungsstein bedeuten könnte. An diesem Tage wurde in einer besonderen Feierstunde die Muttergottesstatue (die gekrönte Madonna) geweiht und in der Kirche aufgestellt. Die wertvolle Madonnenfigur aus den Jahren 1620 - 1630 bedeutet nicht nur einen künstlerischen Glanzpunkt der Pfarrkirche. Es wirft auch ein Licht auf das religiöse Leben der Gemeinde, die der Mutter Gottes einen solchen Platz der Verehrung in ihrer Pfarrkirche widmet.

Für die Renovierungsarbeiten und die Innenausstattung der Pfarrkirche sammelte der Kirchbauverein rund 700.000 DM. Das sei sozusagen aus Chronistenpflicht mitgeteilt. Doch bevor jemand sich über diese Summe ein kritisches Urteil zutrauen will, mag er folgendes bedenken: In der Zeit von 1976 - 1985 konnte die Gemeinde trotz aller Belastung durch den Kirchenumbau allein bei den jährlichen Misereor- und Adveniat-Kollekten sowie bei den Sammlungen am Missionssonntag insgesamt über 500.000 DM für die Notleidenden in der Welt überweisen. Darf eine solche Zahl nicht auch mit einem gewissen Stolz genannt werden, zumal wenn man sie als Ansporn versteht?

Noch einmal wurde im Jahre 1976 ein Teil von der St. Johannes-Gemeinde abgepfarrt. Am 26. November dieses Jahres wurde St. Martin selbständige Pfarrei.

Eine Chronik der Pfarrgemeinde St. Johannes bliebe Stückwerk, wenn das St. Johannes-Stift und der Dienst der Schwestern unberücksichtigt und unerwähnt blieben. Am 16. April 1978 wurde der selbstlose Einsatz der Schwestern ins Bewußtsein der gesamten Gemeinde gehoben: Mit einem Festhochamt und einem anschließenden Empfang im Jugendheim wurde das 25jährige Ortsjubiläum von Schwester Bilfrieda gefeiert. Bei Wind und Wetter konnte man diese Vinzentiner-Nonne stets freundlich durch die Gemeinde zu ihren Kranken eilen sehen - für alle, die sie sahen, stets ein Vorbild und eine Mahnung. Viele werden sich in tiefer Dankbarkeit an Schwester Bilfrieda erinnern und sich durch sie den Schwestern des Johannes-Stiftes in Anerkennung und Dank verbunden wissen. Ein gewaltiges Bauvorhaben wurde am 17. November 1980 begonnen: An diesem Tage wurde der 1. Spatenstich für den Erweiterungs- und Umbau des Johannes-Stiftes getan. Was hier wieder so nüchtern und karg klingt, kann in seiner Tragweite und Bedeutung gar nicht ausgelotet werden: Ein Zuhause und Pflege für so viele Ältere, Kranke und Gebrechliche.

Bleiben wir bei den Bautätigkeiten, machen aber einen Sprung von den Älteren zu den kleinen Gemeindemitgliedern. Schon vor 1978 gab es in den zuständigen Gemeindegremien Überlegungen für einen Um- und Erweiterungsbau des Kindergartens. Im März 1979 startete man mit diesem Vorhaben. Erneut war die Gemeinde zu großen finanziellen Opfern aufgerufen. Aufgrund der guten Erfahrungen beim Kirchbau vor 14 Jahren gründete man einen Kindergartenbauverein - und wieder machten viele Gemeindemitglieder mit, durch finanzielle Unterstützung wie auch durch tätige Mithilfe. Beendet wurde der Umbau des Kindergartens am 26. Oktober 1980 mit einem Kindergottesdienst, der Weihe und Segnung des Kindergartengebäudes und einem frohen Fest mit Eltern und den Kindern. Sicherlich sind bauliche Tätigkeiten nicht das Eigentliche einer Gemeinde, aber es lassen sich doch auch daraus jeweils Rückschlüsse auf die innere Verfassung und Ausrichtung einer Gemeinde ziehen: Sorge für die älteren Mitmenschen - Verpflichtungen gegenüber den Kleinen.

Ebenso aufschlußreich ist es, daß unmittelbar nach all diesen finanziellen Belastungen erneut die Sorge und die Aufmerksamkeit der Pfarrkirche galt: Von Mai bis Juli 1981 wurden zunächst notwendige Reparaturarbeiten am Kirchendach vorgenommen und dann die Kirche innen neu angestrichen. Diesmal konnte man die Sonntagsgottesdienste weiterhin in der Kirche feiern.

Wenn hier die Bautätigkeiten so stark in den Vordergrund gestellt werden, so dürfen die überaus vielfältigen Aktivitäten und Aktionen in der Gemeinde nicht übersehen werden. Sie sind so zahlreich, daß sie hier gar nicht aufgezählt werden können - und sie werden und wurden von so vielen Gemeindemitgliedern getragen, daß eine vollständige Namensliste gar nicht erstellt werden kann. Immer wieder jedoch kann man in der Pfarrchronik den Dank an die vielen hier ungenannten Mitarbeiter herauslesen.

Der Beginn der 80er Jahre ist zugleich eine Zeit des Abschiednehmens. Zunächst trat der Organist und Küster Franz Braun in den Ruhestand. Über 40 Jahre lang hat er in St. Johannes Wiemelhausen als Küster gearbeitet und als Organist und mit seinem Kirchenchor die Gottesdienste musikalisch begleitet und geprägt.

Nur ein Jahr später, am Sonntag, dem 30. August 1981, verabschiedete sich Pfarrer Arnold Neveling nach 17jähriger Tätigkeit in einem Gottesdienst von seiner Gemeinde. Sein angegriffener Gesundheitszustand hatte ihn veranlaßt, den Bischof um seine Entpflichtung von dem Amt als Pfarrer zu bitten. In dem Abschiedsgottesdienst wurde die wertvolle Barock-Figur des hl. Johannes des Täufers geweiht, die für die Kirche angeschafft worden war.

Die Pfarrgemeinde überreichte Pfarrer Neveling aus Anlaß seines kurz zuvor gefeierten 65. Geburtstages als Erinnerungsgeschenk ein Meßgewand.

Der Kirchbau und die Innenausstattung werden als äußere, greifbare Zeichen die Erinnerung an das Wirken von Pfarrer Neveling in unserer Gemeinde wachhalten. Zugleich aber mußte er seine Gemeinde durch eine Zeit heftiger innerer Unruhe und Erneuerung in der Gesamtkirche hindurchführen. Wie soll man den Dank der Gemeinde und die tiefe Verbundenheit so vieler Gemeindemitglieder mit ihrem ehemaligen Pfarrer an dieser Stelle ausdrücken? Pfarrer Neveling, der heute in Essen-Dellwig lebt, wird es verstehen, wenn der Chronist den Dank und die Anerkennung mit einem schlichten "Vergelt's Gott" zusammenfaßt.

Am 27. 9. 1981 wurde der jetzige Pfarrer Bernhard Deus in sein Amt eingeführt. Vorher hatte er als Religionslehrer in Essen-Steele gewirkt.

Sogleich mußte er sich mit baulichen Problemen und damit verbundenen Finanzfragen beschäftigen: Der Erweiterungs- und Umbau des St. Johannes-Stiftes stand kurz vor dem Richtfest. Das neugestaltete Haus bietet nun 160 alten und großenteils pflegebedürftigen Menschen ein Zuhause. Am 30. 5. 1984 weihte Bischof Franz Hengsbach den Neubau mit einer Festmesse in der neu ausgemalten Kapelle ein.

Zugleich aber griff Pastor Deus das Anliegen der inneren Erneuerung der Gemeinde auf. Vorläufiger Höhepunkt dieser Dimension seelsorglicher Arbeit war die Gemeindemission zu Beginn der Fastenzeit dieses Jahres, der er sehr engagiert gegen viele Bedenken und Zweifel den Weg bereitete. Zwei Redemptoristen-Patres aus Bochum hielten die Predigten, Gottesdienste und Gesprächskreise. Es gelang ihnen, viele Menschen, auch viele Jugendliche und Kinder, anzusprechen und zu begeistern.

Am 2. Juli 1984 feierte Pastor Deus sein 25jähriges Priesterjubiläum. Die St. Johannes-Gemeinde schenkte ihm zu diesem Festtag einen Kelch und eine Patene. Gebe Gott, daß Pastor Deus mit diesen heiligen Geräten noch lange das eucharistische Opfer für und in seiner Gemeinde Gott dem Herrn darbieten kann.

Im September 1984 machte sich eine Gruppe von 50 Personen auf den Weg nach Rom. Höhepunkte dieser erlebnisreichen Reise waren die HI. Messen im Petersdom, in der Sebastian-Katakombe und am Grab des HI. Franz von Assisi, die wir mit unserem Pastor feierten.

"Ihr seid auf' das Fundament der Apostel und Propheten gebaut; der Schlußstein ist Christus Jesus selbst. Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten und wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn". (Eph 2, 20f).

 

Möge Gott der Herr auch weiterhin seine Hand über unsere Pfarrkirche und die in ihr zum Gebet und zum Mahl versammelte Gemeinde halten.

Dr. Rainer Zeyen (1987)

130 Jahre St. Johannes

Zum Kirchweihfest 2017 erzählen einige Gemeindemitglieder aus ihren Erinnerungen

Monika Hilgenstöhler

(Aktiv im Vorstand der kfd St. Johannes)

Wir, die kfd, die Frauengemeinschaft von St. Johannes, sind beinahe genauso jung geblieben wie unsere Kirche. Nur 14 Jahre nach der Weihe des Gebäudes gründete sich der katholische Mütterverein. Damals saßen wir in diesem Gotteshaus, das noch einen Mittelgang hatte, während der Messen selbstverständlich links auf der Frauenseite - vorzugsweise im Kostüm mit Hütchen.

Einmal im Monat war um 8:00 Uhr die Gemeinschaftskommunion der Frauen. Aber weiter als bis zur Kommunionbank kamen wir nicht. "Offizielle Ämter" für Frauen am Altar gab es nicht. Vielmehr steht in einer Chronik zu lesen: "Solche Vereinsgründungen sind im kirchlichen Raum vielfach die Grundsteinlegung für viel aufopferungsvolles und hilfreiches Mitarbeiten in der Gemeinde gewesen."

Einer der Räume, in denen sich die kfd in der ersten Zeit zu ihren geselligen Runden traf, lag direkt unter diesem Kirchenschiff in den Katakomben, ein Raum gleich hier unter dem Chorraum. Diese Treffen, die Religionsgespräche und auch Feiern wie zu Karneval verschafften die Möglichkeit zu Austausch und Abwechslung einmal außerhalb der 3 K's: Kinder, Küche und Kirche.

Besondere Mitte waren und sind uns aber noch immer unsere kfd-Messen hier in der Kirche. 1x im Monat und zu besonderen Anlässen wie dem Weltfrauengebetstag, der ökumenischen Agape-Feier oder (!) dem Tag der Diakonin - denn wir geben unsere Hoffnung, den inneren Zirkel der Macht einmal zu betreten, nicht auf.

Diese Steine, aus denen unsere Kirche gebaut ist, haben gottlob vieles freier und offener werden sehen. Längst dürfen die Frauen Andachten auch selbst und Messen mitgestalten. Wir sind als Lektorinnen und Kommunionhelferinnen am Altar - der Hutzwang besteht nicht mehr.

Für die Zukunft wünschen wir uns, dass unser Gotteshaus lebendig bleibt (gern wieder mit Glockengeläut) und streitbar. Dass wir Frauen dabei kräftig mitmischen und - dass sich junge Frauen für unsere Gemeinschaft begeistern, damit sich Tradition und frischer Wind gegenseitig bereichern können.

Friedhelm Fründ

(Amtierender Vorsitzender der KAB St. Johannes)

Ich stehe hier - zum einen für mich und darüber hinaus sicher auch für viele, die sich dieser Kirche und dieser Gemeinde verbunden fühlen.
Seit der Kirchweih, der Einweihung dieser Kirche sind 130 Jahre vergangen. 70 Jahre davon - also mehr als die Hälfte der Zeit - durfte ich mit erleben und hier und da auch mit gestalten.

Vor 70 Jahren wurde ich geboren - im Schatten der Kirche - nur ein Steinwurf von hier entfernt. Wenn der Kirchturm umfiele, was Gott verhindern möge, dann landete er im Garten meines Geburtshauses. Bis zur Kirche hatte ich es nie weit. Als Kind und Jugendlicher besuchte ich jeden Sonntag um 09:00 die Messe. Wir Kinder saßen auf kleinen Bänken vor den Erwachsenen, die Mädchen links, die Jungen rechts. Wenn ich mal allzu unruhig war und störte, kam unser Kirchenschweizer in seiner langen roten Robe mit Barrett und langem Stab, und ich musste zur Strafe in die Bänke der Mädchen.

In meiner Kindheit gab es noch kein Fernsehen. Unsere Sonntagnachmittags- Unterhaltung fand in dieser Kirche statt. Fast jeden Sonntagnachmittag gegen 14:00 Uhr ging ich zur "Christenlehre". Einer der Vikare oder Kaplane erzählte uns biblische Geschichten oder Geschichten mit religiösen und belehrenden Inhalten. Und wir wurden abgefragt, welche Lehren man daraus ziehen konnte. Ich liebte diese Stunden. Wenn ich so recht überlege, handelte es sich quasi um einen Vorläufer der Kleinkindergottesdienste.
Dass ich jeden Sonntag zur Messe ging, lag auch daran, dass ich anschließend vor der Kirche alle meine Freunde traf.

Als Jugendlicher und junger Erwachsener war ich selbstverständlich Messdiener und Lektor. Wir Messdiener mussten die Gebete, die wir im Wechsel mit dem Priester lateinisch sprachen, auswendig lernen, bevor wir zum Dienst am Altar zugelassen wurden. Außerdem mussten wir lernen, in welch besonderer Weise wir das Messbuch von der einen auf die andere Seite tragen mussten. Auf die richtige Drehung kam es an.

Die Predigten wurden noch von der Kanzel herab gehalten.

Zu meiner Kommunion bekam ich ein Bild vom Innenraum der Kirche. Vor kurzem, beim Aufräumen habe ich es wiedergefunden. Und beim Betrachten des Bildes kamen mir viele Erinnerungen in den Sinn.
Diese Kirche gehört zu dem, was man Heimat nennt. 130 Jahre ist sie alt. 70 Jahre davon habe ich miterlebt.

Confiteor Deo omnipotenti,
beatae Mariae, semper virgini,
beato Michaeli Archangelo,
beato Ioanni Baptistae,
sanctis Apostolis Petro et Paulo,
omnibus sanctis et tibi, pater,
quia peccavi nimis
cogitatione, verbo et opere:
mea culpa,
mea culpa,
mea maxima culpa.
Ideo precor beatam Mariam, semper Virginem,
beatum Michaelem Archangelum,
beatum Ioannem Baptistam,
sanctos Apostolos Petrum et Paulum,
omnes sanctos et te, pater,
orare pro me ad Dominum, Deum nostrum.

Ruth Kuntz

(Für die ehemalige Gemeinde St. Albertus Magnus; heute ehrenamtliche Küsterin unserer Gemeinde)

Ich stehe hier für die Menschen der ehemaligen St. Albertus Magnus-Gemeinde. Wie sicher viele von Ihnen wissen, wurde in den späten 50er Jahren beschlossen, ein neues Pfarrzentrum an der Königsallee zu errichten, das dann auch gebaut wurde, und 1964 endlich fertig gestellt und konsekriert wurde. In seiner kurzen Geschichte gab es in St. Albertus Magnus nur zwei Pfarrer: Pfarrer Franz Westhoff, der vorher Kaplan in St. Johannes war, und dann später Pfarrer Stefan Ochmann.

Menschen, die vorher zu St. Meinolphus oder St. Johannes gehörten, hatten in St. Albertus Magnus eine neue Heimat gefunden mit deutlich kürzeren Wegen zu ihrer Kirche.
Dann kam in den frühen Jahren des neuen Jahrtausends die Nachricht vom Bistum: Wir haben kein Geld, Kirchen müssen geschlossen werden.

Viele Jahre haben die Gemeinderäte und Kirchenvorstände von St. Johannes und St. Albertus Magnus versucht, beide Gemeinden und beide Kirchen zu erhalten. Wie wir alle wissen, hat das nicht geklappt: 2008 wurde die Albertus Magnus- Kirche außer Dienst gestellt und wir, die ehemaligen Albertus-Mitglieder gehörten wieder wie vor 44 Jahren zu St. Johannes.

Ich kann mich an unseren letzen Gottesdienst erinnern, so voll hatte ich unsere Kirche noch nie gesehen. Menschen - auch viele aus St. Johannes - standen bis in die Eingangshalle. Als der Altartisch abgeräumt wurde, der Tabernakel leer mit geöffneter Tür stand, hatten viele Tränen in den Augen - auch Menschen aus St. Johannes waren tief bewegt.

Wenn ich nun hier in unserer Kirche an den Wochenenden die Gottesdienstbesucher anschaue, erkenne ich einige Gesichter aus Albertus Magnus wieder. Menschen, die hier eine neue Heimat gefunden haben und auch die, die zu ihrer alten Ursprungsgemeinde zurückgekehrt sind.

In den fast 9 Jahren haben wir uns aneinander gewöhnt, schätzen gelernt und wohl auch gegenseitig bereichert.
St. Johannes ist zu unserer Gemeinde geworden.
Und Albertus Magnus, dessen Reliquie wir mitnehmen konnten, und der hier neben der Marienstatue einen neuen Platz gefunden hat, schaut uns dabei zu.

Bärbel Grothe und Katja Gonschorek

(Aktiv in der Gruppe für den Kleinkinder-Wortgottesdienst)

Wir sprechen für die - im Wortsinn - kleinste Gruppe, die sich hier im Gotteshaus trifft. Einmal im Monat findet nämlich ein Kleinkinder-Wortgottesdienst statt. Doch so sperrig wie das Wort geht es ganz und gar nicht zu.

Obwohl, oder gerade weil wir den Gottesdienst mit den kleinsten Gemeindemitgliedern zwischen null und sieben Jahren feiern, brauchen wir viel Raum: um zum Beispiel Fahrräder, Roller, Kinderwagen und Laufräder vor dem Altar abzustellen - (Bild 1) natürlich nur, um sie vor den Ferien im Sinne des heiligen Christophorus zu segnen, (Bild 2) versteht sich.

Im Ernst: In diesen Gottesdiensten sind alle Sinne gefragt. Die Kinder probieren selbst aus, wie eng es in der Arche gewesen sein muss, wie der blinde Bartimäus sich wohl gefühlt hat, lassen Jesus mithilfe von Pappe, Buntstiften und Kleber in den Himmel auffahren oder sehen und hören, wie der hl. Franziskus (Bild 3) mit den Vögeln gesprochen hat. Vom Samen bis zum fertigen, leckeren Brot haben wir es mit kleinen Tricks in nur fünf Minuten geschafft.

Die Kinder gehen auch verschiedenen Fragen nach: (Bild 4) Was macht Gott im Herbst mit den Blättern? Weißt du wie es im Himmel ist? Warum sind Kinder das Salz dieser Erde? Den Antworten nähern wir uns mit Experimenten, schauen mal (Bild 5) ganz genau hin oder suchen Vergleiche.

Für unsere Spurensuchen und Zeitreisen brauchen wir oft das ganze Kirchenschiff, um Hinweise zu finden. Für die Kinder ist dieses Gotteshaus außerdem ein großer Entdeckungsraum. Wo brennen überall Kerzen? Wo findet man in der Kirche Wasser? Und wozu? Wer kennt die Marienkapelle?

Zum festen Ritual gehören das selbst gestaltete Altartuch, das Anzünden (Bild 6) unserer Kerze und das Kreuzzeichen zu Beginn, die Fürbitten und der Segen. Die Kinder singen viel (Bild 7), beten, basteln (Bild 8) oder malen miteinander.

So wird ihnen das Gotteshaus vertraut, sie finden einen Zugang zu den Geschichten der Bibel, zu wichtigen Heiligen, zum Glauben. - Wie gesagt 1x im Monat, sonntags, hier in der Kirche.